Komm mit auf einen Ausflug durchs perioperative Gerinnungsmanagement!

Algorithmus zur Therapie von perioperativen Blutungen bei Erwachsenen, nach Dr. S. Casu

Diesen wunderbaren Algorithmus zur Therapie von perioperativen Blutungen bei Erwachsenen habe ich schon lange im Bereich Wichtig & Wertvoll als Download gelistet. Höchste Zeit, dass das perioperative Gerinnungsmanagement auch ausführlich besprochen wird! Um die Übersicht zu bewahren, teile ich die Besprechung des perioperativen Gerinnungsmanagements in 3 Blogartikel auf.

Der Autor dieses Algorithmus ist Dr. Sebastian Casu. Der Algorithmus hilft, perioperative Blutungen oder Blutungen im Rahmen eines Polytraumas zu managen. Ich schätze ihn weil er übersichtlich ist, weil die Maßnahmen aufeinander aufbauen und weil es konkrete Dosierungsvorschläge gibt.
Die Gerinnungskarte ist aufgebaut wie eine Ampel: Von grün geht es über gelb nach rot.

Weiter geht es mit Teil 2 im grün-gelben Bereich.

Um die Basismaßnahmen und die erhaltungswürdigen Parameter hast du dich gekümmert – jetzt ist es an der Zeit, einen etwas individuelleren Blick auf deinen Patienten zu werfen. 

Anamnese

Gibt es irgendetwas besonderes in der Patientenanamnese? Hat dein Patient eine angeborene oder erworbene Blutungsneigung? Nimmt er Thromobzytenaggregationshemmer oder orale Antikoagulantien ein? Wenn ja, welche und wann zuletzt?

Idealerweise stellt man diese Fragen natürlich, bevor sich der Patient mitten in einer blutigen OP befindet. Manchmal überschlagen sich aber die Ereignisse, sodass dafür keine Gelegenheit mehr bleibt. Schau in Arztbriefe, ins Prämedikationsprotokoll, Notarztprotokoll oder was auch immer du für Unterlagen zur Verfügung hast. Delegiere die Aufgabe, wenn du keine Zeit dafür hast. 

Wenn dein Patient tatsächlich gerinnungshemmende Medikamente eingenommen hat: Gibt es eine verfügbare Antidot-Therapie?

Und wenn du selbst regelmäßig Prämed- oder Notarztprotokolle schreibst: Schreib leserlich! Sowas wie das hier hilft nämlich niemandem weiter: 

Medikamentenpläne, die keiner lesen kann. Wie immer, wenn’s mal dringend wäre.

Tranexamsäure

Endlich ein Medikament! Tranexamsäure ist ein Antifibrinolytikum. Das bedeutet: Es hilft dir in der akuten Blutungssituation erstmal gar nicht. Aber: Tranexamsäure erhält den Fibrin-Clot, indem es die Umwandlung von Plasminogen in Plasmin hemmt. Plasmin zerschneidet Fibrin. Wenn also weniger Plasmin vorhanden ist, wird alles, was bereits erfolgreich geronnen ist, nicht wieder durch Plasmin zerschnipselt. 

Wirkung von Tranexamsäure. Quelle: Dtsch Arztebl Int 2017; 114: 824-30; DOI: 10.3238/arztebl.2017.0824

Das heißt: Tranexamsäure wirkt der gefürchteten Hyperfibrinolyse entgegen, stabilisiert die sich bereits gebildeten Gerinnsel und reduziert signifikant Nachblutungen.

Auf lange Sicht ersparst du deinem Patienten durch die TXA-Gabe später möglicherweise die eine oder andere Transfusion. 

Seitdem die Ergebnisse der CRASH-2-Studie zu einem breiten Einsatz von Tranexamsäure geführt hat, gab es zu diesem Thema zahlreiche, berechtigte Diskussionen. Sicherlich sollte Tranexamsäure nicht wie Smarties unter den Patienten verteilt werden, aber auch eine sehr aktuelle Arbeit (die STAAMP-Studie) unterstreicht noch einmal den Nutzen von Tranexamsäure für schwer blutende Patienten.

Tranexamsäure will frühzeitig gegeben werden, damit  ihr langfristiges Wirkkonzept aufgehen kann. Gib 1-2 g als Kurzinfusion über 15 Minuten. Bei Patienten mit frischem PTCA/Stenting, Herzinfarkt, Schlaganfall oder frischen Gefäßanastomosen muss eine individuelle Risikoabwägung erfolgen. 

Fibrinogen

Fibrin – das sind diese langen, klebrigen Spaghettis, die den Clot zusammenhalten. Und Fibrin entsteht aus Fibrinogen. Der Fibrinogenspeicher, den wir besitzen, ist leider endlich. Das heißt, wenn alles verbraucht ist, fehlt das Hauptsubstrat der Gerinnung.

Fibrin-Clot. Quelle: https://www.healthbenefitstimes.com/glossary/fibrin-clot/

Anschaulich wird das mit dem Bild einer Mauer. Aus Steinen (Zellen) und Mörtel (Gerinnungsfaktoren) baut man eine stabile Mauer (Clot). Wenn ein paar Steine (Zellen) fehlen, kann man das mit etwas mehr Mörtel (Gerinnungsfaktoren) ausgleichen. Wenn aber der Mörtel fehlt, ist es egal, wie viele Steine du hast: Deine Mauer wird nie stehen bleiben. 

Ohne Fibrin gibt es keinen stabilen Clot.
Quelle: G. Singbartl, K. Singbartl (Hrsg.), Transfusionsassoziierte Pharmakotherapie

Gib in der akuten Blutung 30 mg/kg Körpergewicht (das sollten dann je nach Patient etwa 2-6 Gramm sein), und erhalte einen Plasmaspiegel von > 150 mg/dl. 

Im nächsten Artikel geht es weiter mit der Gabe von PPSB, der Transfusion von EKs, TKs und FFPs und der Gabe von Einzelfaktoren. 

Bleib dran!

Herzliche Grüße,

Frau Sandmann