Nicht nur unter unseren Patienten gibt es Persönlichkeiten von A wie außerordentlich angenehm bis Z wie ziiiiemlich zickig. Nein, auch im Kollegium menschelt es. Da wir einen guten Teil unseres Tages an der Seite unserer operativ tätigen Kollegen verbringen, lernen wir uns mit der Zeit recht gut kennen und lieben. Es folgt eine kleine Auswahl an Chirurgen-Archetypen…wie immer ohne Anspruch auf Vollständigkeit und mit zwei zwinkernden Augen.
Flüster-Felix
Dieser Operateur ist hochkonzentriert und überaus sorgfältig bei der Arbeit. In seinem Saal herrscht andächtige Stille, der Springer bewegt sich nur auf Zehenspitzen und die OP-Schwester sortiert das Besteck mit extra-großem Abstand, um ja kein Klirren oder Klappern zu verursachen.
Der Sandmann mit seinem geräuschvollen Monitoring, und dem ständigen Piepen und Hupen von Perfusoren und Beatmungsmaschine ist hier eindeutig der Störenfried. Dafür revanchiert sich Flüster-Felix, indem er seine eigene Lautstärke an die Grenze zur Hörbarkeit reduziert. Um seine Wünsche zu erfüllen, muss die OP-Schwester schon gehörig die Ohren spitzen, der Anästhesist aber hat inmitten seiner Nebengeräusch-Maschinen überhaupt keine Chance mehr, diese infraschall-artigen Schwingungen zu empfangen. Und so erfolgt die Kommunikation hier ausschließlich über die OP-Schwester, die alles laut wiederholt, was Flüster-Felix vom Sandmann möchte. Dies verleiht Flüster-Felix eine geheimnisvoll-majestätische Aura, ist aber im Alltagsgeschehen eher lästig.
Alpha-Arnold
Der klassische Chefarzt-Typ: Laut, charismatisch, an guten Tagen väterlich-freundlich, an schlechten Tagen herrisch und cholerisch. Bevor Alpha-Arnold auftaucht, eilt ihm seine Entourage voraus um die OP-Schwester und den Sandmann anzutreiben.
Denn wenn Arnie den Saal betritt, soll das Menü angerichtet, sprich: Der Patient intubiert, tief relaxiert, abgewaschen und abgedeckt parat liegen. Um direkt in den bereitgehaltenen Mantel springen zu können, betritt Arnold den Saal gleich mit ausgestreckten Armen.
Sein erstes Wort ist „Morgen!“, sein zweites Wort „Messer!“. Wer Alpha-Arnold noch ein Team Time Out aufdrängen will, muss sich schon todesmutig zwischen ihn und den Patienten werfen.
Seine Kommunikation mit der Anästhesie beschränkt sich in der Regel auf ein gebelltes „Durchrelaxieren!“, obwohl der Patient schon schlapp wie weichgekochter Spargel auf dem Tisch liegt, und ein gut gemeintes „So, fertig!“ eine Minute bevor er das Besteck fallen lässt.
Taktik: Nach 2 Ampullen Esmeron einfach mal ein wenig NaCl zum nachrelaxieren spritzen und behaupten, dass es gleich besser wird.
Zöger-Zenzi
Eine Operateurin mit ausgezeichneten anatomischen Kenntnissen, viel fachlicher Kompetenz, aber zu wenig Courage. Zöger-Zenzi operiert filigran und mit Geschick, hat aber ständig Angst vor der perforierten Arterie, dem durchtrennten Nerv oder dem eröffneten Tumor. Deshalb schnipselt sie stundenlang auf der Stelle, muss von der OP-Schwester hart motiviert werden und verliert auf der Zielgeraden dann vollends den Mut. Ihre Lieblingsinstrumente heißen Klemmchen und Mäusezahn, ihre Histo-Präparate könnten auch als feingemahlenes Edel-Tartar durchgehen.
Für Sandmänner ist Zenzi eine harte Nuss: Bei zu viel Geduld dehnt sie einen 2-Stunden-Eingriff auf 6 Stunden aus, bei zu viel Ungeduld legt sie das Besteck weg um zu meditieren.
Da hilft nur Mitatmen, sich ein gutes Mantra suchen, und einen spannenden Fachartikel in der Tasche haben.
Messer-Mandy
Messer-Mandy ist das genaue Gegenteil von Zöger-Zenzi: Sie ist für die große Schlachtplatte geboren, mit Leidenschaft am Werk und hat es immer eilig. Bevor der gestresste Sandmann überhaupt ein paar Werte ins Protokoll schreiben kann, wirft sie schon wieder das Besteck weg und tritt ab. Ungnädig ist sie besonders zu Studenten und jungen Assistenten. „Machen Sie mal schneller, auf meiner Seite wächst es schon wieder zu!“ ist einer ihrer Standardsprüche. Überhaupt leben ihre Assistenten gefährlich: Schnitt- und Stichverletzungen sind an ihrem Tisch an der Tagesordnung, und wer Messer-Mandy kennt, kennt auch die Durchwahl vom Betriebsarzt, und weiß wo die Monovetten für die Infektionskontrolle liegen. Für uns Anästhesisten bedeutet das, im Saal auch ständig im notfallmedizinischen Einsatz zu sein: Nämlich mit Desinfektionsmittel und Pflästerchen für die armen, gepiekten Jungmediziner.
Party-Peter
In Party-Peters OP-Saal geht der Punk ab. Entweder bringt er sein eigenes Radio mit, oder er liefert allmorgendlich seinen iPod beim Saaltechniker ab, um für Beschallung zu sorgen. Resultierend ist der Springer ständig damit beschäftigt, die Radioantenne nachzujustieren oder Lieder weiterzudrücken. Die armen Sandmänner rücken näher an ihre Beatmungsmaschinen und schrauben die Lautstärke vom QRS-Ton hoch, um überhaupt noch etwas zu hören. Da Party-Peter aber am liebsten nichts als seine eigene Mucke hören will, entwickelt sich im Tagesverlauf ein Lautstärkenwettbewerb, der abends in Spannungskopfschmerz und einem tiefen Seufzen der Erleichterung resultiert, wenn Party-Peter endlich mitsamt Radio und iPod von der Bildfläche verschwindet.
Allen Kolleginnen und Kollegen, einschließlich den operativ tätigen, wünsche ich einen guten Start in die neue Woche!
Beste Grüße,
Frau Sandmann